Thomas Nisters

Wörterbuch
philo­sophischer Alltags­begriffe

Ärger und Zorn

Begriffserklärung

Begriffserklärung

Ärger, Zorn, Wut, Groll – das Gefühl, um das es gehen soll, tritt in vielen verschiedenen Formen und Gestalten auf. Was aber ist Zorn? Was ist Ärger? Was ist Wut? Worin unterscheiden sich diese Gefühle voneinander? Auf diese Fragen lässt sich wohl kaum eine Antwort finden, die alle für richtig halten. Der Artikel beansprucht somit auch gar nicht, eine verbindliche Antwort zu geben. Stattdessen versuche ich, einen Bedeutungskern herauszuschälen. Dieser Kern dessen, was Ärger, Zorn, Wut ausmachen könnte, soll zunächst an einem Beispiel entwickelt werden:

Christiane wünscht sich seit langem einen Bluetooth-Lautsprecher. Sie möchte ein gutes Gerät. Das kostet viel Geld. Von ihren Eltern wünscht sie sich zum 16. Geburtstag den Bluetooth-Lautsprecher. Weil der Preis so hoch ist, muss Christiane ein Drittel des Preises von dem Geld zusteuern. Um das Geld anzusparen, trägt sie samstags Werbezeitungen aus. Und tatsächlich bekommt sie zu ihrem Geburtstag einen wunderbaren Bluetooth-Lautsprecher. Der ist sogar eine Klasse besser, als sie dachte. Ihr Vater hatte im Internet ein Sonderangebot ausfindig gemacht. Am Tag nach ihrem Geburtstag fragen ihre jüngeren Geschwister Christiane, ob sie denn auch einmal mit dem Bluetooth-Lautsprecher Musik hören dürfen. Christiane sagt: „Nein!“

Als Christiane wenige Tage später aus der Schule kommt, hört sie schon auf der Straße laute Musik. Im Haus bemerkt sie, dass die Musik aus dem Zimmer ihrer jüngeren Geschwister kommt. Sie klopft an, tritt ein und sieht, wie ihre Geschwister um ihren Bluetooth-Lautsprecher hocken und Musik hören. Christiane rastet aus, beschimpft ihre Geschwister, zieht den Stecker, nimmt das Gerät, schlägt die Türe hinter sich zu und verschwindet voller Wut in ihrem Zimmer. Gottlob ist das Gerät unversehrt, abgesehen von den Flecken, die die schmutzigen Finger ihrer Geschwister hinterlassen haben.

An diesem Beispiel lässt sich zeigen, dass vier Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Christiane sich ärgert oder wütend wird.

Bedingung 1 nenne ich die Gutheitsbedingung: Es muss etwas geben, was Christiane wichtig und wertvoll ist, etwas, was ihr viel bedeutet, was sie haben oder schützen möchte. Im Beispiel ist das Gut, um das es Christiane geht, ihr neuer Bluetooth-Lautsprecher. Wenn Christiane der Bluetooth-Lautsprecher gleichgültig wäre, dann würde sie sich kaum darüber ärgern, dass die Geschwister mit dem Bluetooth-Lautsprecher spielen. Aus diesem Grund können sich auch nur solche Wesen ärgern, die etwas erstreben können, die etwas wertschätzen können. Ein Stein kann sich nicht ärgern.

Bedingung 2 nenne ich die Störungsbedingung: Das Gut ist in Gefahr. Das, was Christiane so wichtig ist, wird bedroht. Die Geschwister könnten unvorsichtig mit dem Bluetooth-Lautsprecher umgehen und ihn beschädigen oder den Bluetooth-Lautsprecher gar kaputt machen. Christiane hat Angst um ihren Bluetooth-Lautsprecher.

Im Bluetooth-Beispiel wird Christiane, so der erste Eindruck, wütend, weil ihr Bluetooth-Lautsprecher in Gefahr ist. Ein Gut selbst ist bedroht. Die Geschwister könnten das wertvolle Gerät beschädigen. Im Grunde aber ist Christiane wütend, weil ihre Beziehung zu ihrem Eigentum, dem Lautsprecher, gefährdet ist. Die mögliche Zerstörung ist lediglich einer von vier möglichen Fällen, in denen unsere Beziehung zu dem, was uns wichtig ist, bedroht ist. Diese vier Fälle sind:

  • Wir haben etwas Gutes. Wir werden zornig oder ärgern uns, sobald uns (1) (a) jemand das Gut wegnehmen will oder (1) (b) jemand das Gut zerstören oder beschädigen könnte.
  • Wir erstreben etwas Gutes. Wir werden zornig oder ärgern uns, sobald uns (2) (a) jemand daran hindern will, das Gut zu erreichen oder (2) (b) jemand das Gut zerstören oder beschädigen könnte, bevor wir es noch erreichen.

Bedingung 2, die Störbedingung, könnte somit genauer und allgemeiner so gefasst werden: Wir werden zornig oder ärgern uns, sobald wir von etwas getrennt werden, was wir schon haben oder noch erstreben. Diese Trennung mag durch Zerstörung oder Wegnahme geschehen. Und noch genauer und allgemeiner meint Bedingung 2: Wir ärgern uns erst, sobald etwas anders läuft, als wir es uns wünschen oder wollen. Wir ärgern uns, sobald wir gestört werden. Wir ärgern uns, sobald uns etwas in die Quere kommt. Wir ärgern uns, sobald die Dinge sich nicht so entwickeln, wie es uns passt. Ein Wesen, das alles bekommt und hat, was es will und wünscht, ärgert sich nicht. Wem alles nach Wunsch und Willen geht, wird nicht wütend. Ein allmächtiges Wesen, etwa ein Gott, wird sich nicht ärgern, denn nichts geschieht ohne oder gar gegen seinen Willen.

Das Gut, um das es geht, muss keine Sache sein wie etwa Christianes Bluetooth-Lautsprecher. Wir ärgern uns auch dann, wenn uns jemand in unserer Ehre durch Geringschätzung oder Missachtung kränkt; wir ärgern uns auch dann, wenn jemand unsere Vorstellung von dem, was gerecht ist, verletzt; wir werden dann wütend, wenn jemand uns an Leib und Leben bedroht; wir werden dann, wie im Beispiel, zornig, wenn jemand sich an unserem Eigentum vergreift. Bisweilen ist das Gut auch eine Tätigkeit oder ein Zustand: Wir ärgern uns dann, wenn jemand Lärm macht, wenn wir schlafen wollen oder lernen müssen.

Je nach dem, um welches Gut es geht, entsteht eine andere Art des Ärgers. So lassen sich, je nach betroffenem Gut, wenigstens vier Arten des Ärgers unterscheiden:

Art 1: Das Gut, um das es geht, ist die Ehre und Anerkennung. Andere begegnen und mit Missachtung, Geringschätzung, Gleichgültigkeit. Diesen Ärger nenne ich Kränkungsärger.

Art 2: Das Gut, um das es geht, ist unser Eigentum, unsere körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben. Andere wollen uns etwas wegnehmen, uns verletzen oder uns töten. Diesen Ärger nenne ich Selbstverteidigungsärger.

Art 3: Das Gut, um das es geht, ist unsere Zielerreichungsfähigkeit oder Selbstwirksamkeit. Etwas klappt nicht so, wie wir es wollen; andere hindern uns, das zu erreichen, was wir wollen. Diesen Ärger nenne ich Frustrationsärger.

Art 4: Das Gut, um das es geht, ist die Gerechtigkeit. Uns begegnet eine schreiende Ungerechtigkeit. Ich nenne diesen Ärger Empörungsärger.

Bedingung 3 nenne ich die Verteidigungsbedingung: Christiane nimmt nicht einfach hin, dass die Geschwister mit ihrem Bluetooth-Lautsprecher spielen. Christiane verhält sich ihren Geschwistern gegenüber feindselig, um ihren Bluetooth-Lautsprecher zu schützen. Das Verhalten der Geschwister kann als Angriff auf das, was Christiane wichtig ist, bezeichnet werden. Christiane setzt zu einem Gegenangriff, zu einer Verteidigung an. Wer umgekehrt ganz und gar angriffs- und wehrunfähig ist, wird nicht wütend, zornig und ärgerlich werden. Das zeigt sich im Tierreich. Nur Tiere, die sich irgendwie wehren können, zeigen so etwas wie Zorn und Wut. Tiere, die nur fliehen können, sich nur verstecken können oder einigeln können, werden nicht wütend. Und Christiane muss hoffen, dass sie mit ihrem Gegenangriff etwas erreicht. Wer hoffnungslos glaubt, ohnehin nichts ändern zu können, wird nicht wütend, sondern ist nur noch traurig.

Aus Bedingung 3 (Verteidigungsbedingung) ergibt sich: Ärger, Zorn, Wut finden sich nicht bei dauerhaft völlig ohnmächtigen Wesen. Aus Bedingung 2 (Störungsbedingung) ergab sich: Wut, Zorn oder Ärger finden sich nicht bei einem allmächtigen Wesen. Und so ergibt sich aus Bedingung 2 und Bedingung 3: Wut ist nur bei solchen Wesen zu finden, die weder allmächtig noch völlig ohnmächtig sind.

Bedingung 4 nenne ich die Unrechtsbedingung: Es ist nicht richtig, dass die Geschwister Christianes Bluetooth-Lautsprecher benutzen. Er gehört Christiane. Sie hat den Geschwistern nicht erlaubt, mit dem Bluetooth-Lautsprecher zu spielen. Die Geschwister verletzen eine Grenze. Christiane hat einen Anspruch darauf, dass niemand ohne ihre Zustimmung mit dem Bluetooth-Lautsprecher spielt. Wer sich ärgert, fühlt sich in seinen Rechten verletzt

Beim Ärger, bei der Wut, beim Zorn gibt es (1) eine Person, die sich ärgert, die wütend ist; es gibt (2) eine Person, gegen den sich Zorn oder Wut richten; es gibt (3) einen Grund für Zorn oder Wut.

So viel zu den Bedingungen von Zorn, Ärger, Wut.

Es gibt vier Stufen des Zorns, des Ärgers, der Wut. Bei Christiane könnten diese vier Stufen so aussehen:

Stufe 1: Der Ärger, die Wut ist spürbar. Das Herz klopft; der Magen zieht sich zusammen. Aber Christiane zeigt ihren Ärger, ihren Zorn nicht. Sie reißt sich zusammen. Sie unterdrückt das Gefühl. Der Zorn bleibt innerlich. Eine gute Beobachterin könnte vielleicht an Christianes Gesicht sehen, dass sie innerlich kocht. Es gibt sicher bisweilen gute Gründe, den Zorn, den Ärger hinunterzuschlucken: Angst, sich lächerlich zu machen; Gewissheit, ohnehin jetzt nichts auszurichten.

Stufe 2: Christiane äußert ihren Zorn, indem sie schreit, brüllt oder heftig schimpft.

Stufe 3: Christiane schreitet zur Tat:  Sie reißt den Bluetooth-Lautsprecher an sich; sie schlägt ihre Geschwister.

Stufe 2 und Stufe 3 treten oft zusammen auf. Stufe 2 und Stufe 3 können aber auch unabhängig voneinander auftreten.

Ärger ist ein Gefühl. Es kommt und geht wie es will. Wir können nicht verhindern, uns zu ärgern. Deshalb ist es auf der einen Seite Unsinn, jemandem vorzuwerfen, zornig zu sein.

Trotzdem gibt es auf der anderen Seite Fälle, in denen ein äußerer Beobachter manchmal sagt, dass mit dem Ärger etwas nicht stimmt:

  • Der Ärger richtet sich gegen die falsche Person. Nehmen wir an, Christianes jüngster Bruder Matthias käme ihr zufällig entgegen, als sie wutentbrannt mit dem Bluetooth-Lautsprecher in ihr Zimmer stürmt. Matthias hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Während die Geschwister mit dem Bluetooth-Lautsprecher spielten, hat Matthias im Wohnzimmer ein Bilderbuch angeschaut. Trotzdem schubst Christiane Matthias wütend zur Seite. Manchmal lassen wir auch unseren Ärger an Tieren oder an Gegenständen aus.
  • Der Anlass des Ärgers ist gar nicht der wirkliche, eigentliche Grund. Nehmen wir an Jahre später ist Christiane der Bluetooth-Lautsprecher gar nicht mehr wichtig. Seit zwei Tagen hat sie Kopfschmerzen und die Pickel in ihrem Gesicht sind auch wieder schlimmer geworden. Sie ist also sehr gereizt. Als sie nun die Geschwister mit ihrem Bluetooth-Lautsprecher erwischt, entlädt sich ihre schlechte Laune.
  • Christiane schießt völlig übers Ziel hinaus: Nachdem sie den Geschwistern den Bluetooth-Lautsprecher abgenommen hat, geht sie mit einem Hammer ins Zimmer ihrer Geschwister und zertrümmert deren Spielzeuge.
  • Christiane ärgert sich aus einem nichtigen Anlass. Nehmen wir an, Christianes kleiner Bruder Matthias, gerade einmal zwei Jahre alt, berührt mit seinen Patschhändchen den glänzenden Bluetooth-Lautsprecher. Sofort brüllt Christiane ihn an.
  • Christiane ist gar kein Unrecht geschehen und sie wird trotzdem wütend. Stellen wir uns vor, der Bluetooth-Lautsprecher gehört allen Geschwistern. Aber Christiane glaubt als Älteste einen besonderen Anspruch zu haben. Und so wird sie wütend, sobald die Geschwister ohne ihre Erlaubnis an das Gerät gehen.
  • Christiane verwindet ihren Ärger nie. Noch heute, obwohl sie gerade ihren 70. Geburtstag gefeiert hat, wird sie von Albträumen heimgesucht. Sie träumt, die Geschwister hätten die Türe verschlossen und zertrümmerten den Bluetooth-Lautsprechen. Und bei jeder Gelegenheit erzählt sie voller Bitterkeit von diesem Erlebnis. Dabei bekommt sie regelmäßig noch Magenschmerzen.

Sicher gibt es weitere Arten des Ärgers, bei denen etwas nicht stimmt.

Aus Zorn, Ärger, Wut entspringen bisweilen weitere Verhaltensweisen, die schlecht oder gar böse sind. Aus diesem Grund wird der Zorn auch manchmal als Hauptlaster oder Wurzellaster bezeichnet. Hier sind einige schlechte Verhaltensweisen, die aus dem Zorn entspringen können:

  • Christiane beschimpft ihre Geschwister ganz furchtbar. Sie macht sich der Beleidigung schuldig.
  • Christiane schubst ihren Bruder Matthias. Der stürzt die Treppe hinunter und bricht sich einen Arm. Christiane begeht eine Köperverletzung.
  • Eines Tages wird Elisabeth, eine der Schwestern, die mit dem Bluetooth-Lautsprecher gespielt haben, von einer Biene gestochen. Elisabeth erleidet einen Schock, bekommt Atemnot und droht zu ersticken. Niemand außer Christiane ist zuhause. Christian lässt Elisabeth aus Rache ersticken.
  • Christiane schneidet allen Puppen in Elisabeths Zimmer den Kopf ab. Christiane begeht Sachbeschädigung.
  • Christiane erzählt in der Schule, Ursula, eine andere Schwester, mache nachts noch ins Bett, obwohl Ursula schon 11 Jahr alt ist. Christiane macht sich der Verleumdung schuldig.

Fragen

  1. Können wir auf uns selbst wütend sein? Können wir uns über uns selbst ärgern?

  2. Können wir uns über Dinge oder Ereignisse ärgern? Dinge können doch nichts tun, was Unrecht ist. Und Ereignisse fügen uns auch kein Unrecht zu. Trotzdem zerschlägt mancher Musikschüler seine Gitarre, weil es mit dem Spiel nicht klappt.

  3. Ist es möglich, seinen Ärger oder Zorn langfristig ganz zu verbergen?

  4. Manche sagen, es sei gut, seinen Ärger zu äußern. Manche sagen, es sei nicht gut, seinen Ärger zu äußern. Wer hat recht?

  5. Ärger, Wut einerseits und Trauer andererseits können beide dazu führen, dass wir weinen. Auch kippt Wut manchmal in Trauer um und umgekehrt. Sind Trauer und Wut verwandt? Wie könnten Trauer und Wut zusammenhängen?

  6. Ist es möglich, selbst gar nicht zu merken, dass wir zornig, wütend, ärgerlich sind?

  7. Manchmal spüren wir Ärger oder Wut, wissen aber gar nicht, über wen wir uns ärgern und aus welchem Grund wir uns ärgern. Wie kommt das?

  8. Manchmal ärgert uns, dass jemand sich nicht ärgert. Ist das begründet?

  9. Es gibt vier Fälle:

    Fall 1:  Wir sollten uns ärgern und ärgern uns.

    Fall 2: Wir sollten uns ärgern, ärgern uns aber nicht.

    Fall 3: Wir sollten uns nicht ärgern, ärgern uns aber.

    Fall 4: Wir sollten uns nicht ärgern und ärgern uns auch nicht.

    Suche Beispiele! In Fall 1 und Fall 4 ist alles in Ordnung. In Fall 2 und Fall 3 stimmt etwas nicht. Findest Du Fall 2 oder Fall 3 schlimmer?

  10. Aristoteles schreibt: Ärger ist mit Schmerz verbunden. Ärger ist der Wunsch, sich an einer Person zu rächen, die mich oder jemanden, der zu mir gehört, unberechtigterweise mit Geringschätzung behandelt hat. (RHET, 1378 a 30 – 32). Erkläre das, was Aristoteles schreibt, und füge Deiner Erklärung Beispiele bei! Passt das, was Aristoteles schreibt, zu dem Wörterbuchartikel?

  11. Was ist Deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Ärger, Zorn, Wut?

  12. Welche äußeren Anzeichen dafür gibt es, dass eine Person wütend, ärgerlich oder zornig ist?

  13. Wer seinen Ärger äußert, hört oft: „Rege Dich doch nicht auf!“ „Du bist aber auch empfindlich!“ „Das hat der doch nicht absichtlich getan!“ Kurz: Uns soll der Ärger ausgeredet werden. Wieso passiert das? Ist Ärger etwas Schlechtes?

  14. Daran, worüber sich jemand ärgert, erkennen wir, was ihm oder ihr wichtig ist. Stimmt das?

  15. Offenbar gibt es zwei Formen des Ärgers: Ärgerform (a) hat drei Gesichtspunkte: eine Person 1, die sich ärgert, eine Person 2, über die sich Person 1 ärgert, und schließlich einen Grund, meistens ein Verhalten der Person 2. Ärgerform (b) hat zwei Gesichtspunkte: Person 1 ärgert sich über ein Ereignis. Es gibt keine Person 2. Simone plant eine Gartenparty. Seit Tagen ist herrliches Wetter. Am Abend der Party zieht sich der Himmel zu und es schüttet wie aus Kübeln. Simone ärgert sich schwarz! Wie hängen Ärgerform (a) und Ärgerform (b) zusammen? Ist Ärgerform (a) oder Ärgerform (b) der eigentliche Ärger?

  16. Was verstehst Du unter Jähzorn? Hast Du eine Idee, wieso Menschen jähzornig sind?

  17. Aristoteles sagt (RHET, 1378 a 32 – 1378 b 1, 1380 b 21, 1382 a 5 – 7), man könne Menschengruppen hassen; man ärgere sich aber nur über einzelne Menschen. Stimmt das?

  18. Es ist schwierig, klar anzugeben, was Ärger, Zorn, Wut ist. Der Artikel versucht, zu erklären, was Ärger ist. Passen die nachfolgenden Beispiele zu der Erklärung, die der Artikel gibt?

    Beispiel 1: Thomas ist Lehrer. An seiner Schule ist das Lehrerzimmer viel zu eng. Jeder Lehrer hat einen Stuhl und eine Tischhälfte. In der ersten Pause legt Thomas Papierrollen, die er für die 5. Und 6. Unterrichtsstunde vorbereitet hat, auf sein Pult. Als er zur zweiten großen Pause ins Lehrerzimmer kommt, sind die Rollen weg. Auf seine Nachfrage stellt sich heraus, seine Kollegin Uta Maria habe das Lehrerzimmer etwas aufgeräumt, weil alles so schrecklich unordentlich ausgesehen habe. Die Papierrollen seien zerrissen im Container. Thomas rastet aus und brüllt Uta an.

    Beispiel 2: Kathis Tochter hat schlimmen Husten. Um 11 Uhr hat sie einen Termin bei der Kinderärztin. Weil es kalt ist und in Strömen regnet, fährt sie mit dem Auto und nicht mit der Fahrrad. Was für ein Glück! Direkt vor der Praxis ist ein Parkplatz frei. Kathi will rückwärts einparken, als sich ein Smart vorwärts in die Lücke schiebt. Der Fahrer steigt grinsend aus und verschwindet im Nachbarhaus. Kathi möchte dem Smartfahrer den Hals umdrehen.

    Beispiel 3: Wenn Gunnar den Ball nun ins Loch schlägt, gewinnt er der den Golfpokal. Der Ball landet knapp neben dem Loch. Gunnar ärgert sich schwarz.

    Beispiel 4: Petra und Gabi sind verabredet zur Oper: Aida. Petra ist immer sehr pünktlich; Gabi neigt dazu, sich zu verspäten. Gabi hat die Opernkarten, will sie mitbringen. Petra wartet im Foyer. Es klingelt zum ersten Mal: keine Gaby; es klingelt zum zweiten Mal: keine Gaby. Es klingelt zum dritten Mal, die Türen schließen sich. Gaby kommt völlig abgehetzt hineingestürzt. Vergeblich: die Vorstellung hat begonnen. Petra könnte platzen vor Wut und Enttäuschung.

    Beispiel 5: Gunnar und Kathi gehen mit Kindern und Freunden wandern. Kathi bittet Gunnar, für die Kinder Getränke im Rucksack mitzunehmen. Gunnar sagt: „Klar, wird gemacht!“ Es ist heiß, bald jammern die Kinder, sie hätten Durst. Gunnar vertröstet die Kinder: „In einem Kilometer gibt es eine Trinkquelle, da gibt es frisches Quellwasser.“ Die Kinder halten durch bis zur Quelle. Aber an der hängt ein Schild: Außer Betrieb. Kathi tröstet: „Nicht schlimm, Gunnar hat etwas zu trinken dabei.“ Der aber hat nichts dabei, er habe doch gewusst, dass sie an der Quelle vorbei kämen. Und dass die Quelle ausgestellt sei, habe er ja nicht wissen können. Kathi rastet aus!

    Beispiel 6: Inge arbeitet als Nachschwester. Ihr Partner, Gunnar, ist ein genialer Schriftsteller. Nur bringt er keine Zeile zu Papier. Stattdessen hängt er mit Freunden ab, trinkt, vertreibt sich die Zeit mit Computerspielen. Inge füttert ihn durch. Immer mehr aber ärgert sie, dass Gunnar keinen Schlag im Haushalt tut. Auch das bleibt an Inge hängen. Als sie eines Morgens von der Nachtschicht kommt, ist die Wohnung ein Schlachtfeld. Offenbar hat Gunnar mit seinen Kumpels gefeiert: überquellende Aschenbecher, leere Flaschen, Pizzakartons mit Resten etc. Gunnar liegt auf dem Sofa und schläft. Inge beginnt, alles, was Gunnar gehört, aus dem Fenster auf die Straße zu werfen. Dann schmeißt sie ihn heraus.

    Beispiel 7: Es regnet in Strömen. Petra steht an einer Bushaltestelle. Vor der Haltestelle hat sich eine Pfütze gebildet. Da rast ein fetter Benz durch die Pfütze. Petra ist pitschnass. Zornig schimpft sie hinter dem Auto her.

    Beispiel 8: Der zarte Leander stottert. Die große, starke, fette Ute macht sich immer darüber lustig und macht Leanders Stottern nach. Eines Tages rastet Leander aus und schubst die fette Ute die Treppe hinunter.

    Beispiel 9: Armin legt Rita heimlich ein Kondom aufs Schulbrot. Rita zündet aus Rache Armins Angeberauto an.

    Beispiel 10: Lara hat die Wohnung frisch geputzt, als Lisa nach Hause kommt und mit ihren dreckigen Straßenschuhen durch die Küche läuft.

    Es lohnt sich auch, darüber nachzudenken, wie du diese Beispiele beurteilst. Verhalten sich die Personen richtig?

Quellen

In den Artikel über Ärger, Wut, Zorn sind Gedanken eingeflossen aus diesen Werken:

Aristoteles, NE, 1125 b 26 – 1126 b 10;
Aristoteles, RHET, 1378 a 30 – 1380 a 5;
Thomas von Aquin, STH I/II, 46 – 48; STH II/II, 158;
Demmerling / Landweer, Philosophie der Gefühle, 287 – 310.

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